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Beitrag aus "URANIA" 11/87

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Aluminium aus Ton     Neue Lösung für ein altes Problem

Dank einer Reihe bemerkenswerter Eigenschaften wie: geringe spezifische Masse bei verhältnismäßig hoher Festigkeit, hohe elektrische Leitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit, für viele Anwendungsfälle ausreichende Korrosionsbeständigkeit, leichte Be- und Verarbeitbarkeit u. a. zählt Aluminium seit einigen Jahrzehnten zu den bevorzugt verwendeten Werkstoffen. Nach Stahl ist es das meisteingesetzte Metall; sein Gesamtverbrauch (Primär- plus Sekundärmetall) betrug 1985 in der Welt mehr als 21,6 Mill.t. Aluminium gilt als „Wachstumsprodukt". Seine jährlichen Verbrauchssteigerungen lagen in den vergangenen 20 bis 30 Jahren in den entwickelten Industrieländern meist oberhalb der Zuwachsraten des Nationaleinkommens. Aluminium ist mit einem Anteil um 8 % nach Sauerstoff und Silizium das dritthäufigste Element der Erdkruste und als Bestandteil vieler Gesteine sehr weit verbreitet. Dennoch wer­den bis heute nur wenige Mineralien industriell genutzt. Von überragender Bedeutung blieb seit mehr als 100 Jahren der Bauxit, aus dem das für die Metallgewinnung als Vorprodukt benötigte reine Aluminiumoxid (chemisch-metallurgische Bezeichnung: Tonerde = AI2O3) vorwiegend durch hydrothermalen Natronlauge­Aufschluss nach dem Prozess von Karl Josef Bayer gewonnen wird. Bauxite geeigneter Qualität enthalten vor allem in hydroxidisch-oxidischer Bindung (y-AI(OH)3, y-AlOOH, or-AlOOH) > 50 % AI2O3 sowie als hauptsächliche Verun­reinigung > 20 % Fe2O3 und <5 % SiO2. Die Erzeugung des begehrten Metalls erfolgt schließlich durch schmelzflußelektrolytische Zerlegung der Tonerde nach dem 1889 industriell eingeführten und seitdem ständig verbesserten Prozess von Charles M. Hall und Paul T. Heroult. Je Tonne Metall benötigt man etwa 2 t Aluminiumoxid.

 

Versorgungsprobleme für den traditionellen Rohstoff

Aus verschiedenen Gründen finden seit längerer Zeit außer Bauxit auch andere aluminiumhaltige Gesteine Interesse zur Nutzung als Tonerderohstoffe. Hierzu zählen vor allem silikatische Mineralien. Sie werden meist unter dem Begriff „nichtbauxitische Rohstoffe" zusammengefasst, wenngleich es sich um verschiedene Mineralien mit z. T. sehr voneinander abweichenden Eigenschaften handelt, von denen jeder für sich als Alternative zum Bauxit angesehen werden kann. Die Notwendigkeit, sich mit solchen Rohstoffen zu befassen, ergibt sich zunächst nicht aus der Gefahr einer drohenden absoluten Erschöpfung der Weltbauxitvorräte. Die insgesamt erkundeten bzw. vermuteten Mengen lassen rein rechnerisch eine weltweite Versorgungssicherheit über längere Zeit erwarten. Andererseits befinden sich die großen Bauxitvorkommen mit günstiger Qualität vorwiegend in den tropischen Gebieten Mittel- und Südamerikas, Afrikas und in Australien; hinzugekommen sind Funde in Südostasien. Der Verteilung der Rohstoffvorkommen steht aber die Tatsache gegenüber, dass die Hüttenkapazitäten für die Metallerzeugung als Folge der bisherigen Bedarfsentwicklung für Aluminium im wesentlichen in den hochindustrialisierten Ländern konzentriert sind. Diese Versorgungs- bzw. Bedarfssituation führte vor allem aus wirtschaftspolitischen Erwägungen schon seit geraumer Zeit zu Technologieentwicklungen für die Nutzung von Alternativrohstoffen, wie sie in fast allen Ländern vorhanden sind. Vorarbeiten wurden bereits zwischen den beiden Weltkriegen in Deutschland und den USA geleistet, nach 1945 führten Entwicklungen in der UdSSR erstmals zu großtechnischen Anwendungen.

 

Alternative Aluminiumerze

Aluminium ist in zahlreichen der am Aufbau der Erdrinde hauptsächlich beteiligten Eruptivgesteine und Sedimente sowie metamorphen Gesteine enthalten. Häufig sind jedoch die Konzentrationen für seine ökonomische Gewinnbarkeit zu gering (gerechnet als AI2O3 z. B. in Gabbro ca. 18 %, Granit ca. 14 %, Trachyt ca. 18 %, Basalt ca. 16 %), sind die physikalische Beschaffenheit (Härte) sowie chemische Zu­sammensetzung (Begleitelemente) für eine Verarbeitung wenig geeignet. Experimentell überprüft wurde bisher die Tonerdegewinnung aus:

• Nephelin: Na[AISiO„]                       mit 25-29 % AI2O3

• Leucit: K[AISi2O6]                           > 20 % AI2O3

• Anorthosit: Ca[AI2Si20B]                  22-26 % AI2O3 (Labradorit) + Na[AISi3O„]

• Andalusit: AI2[O/SiO4]                     50-53 % AI2O3

• Ton: AI4[SUO10/(OH)8]+                   25-35 % AI2O3 (Kaolin) KAI2[(Si,AI)4O,0][OH]2

• Alunit: K[AI3(OH)6(SO4)2]                 25-27 % AI2O3

sowie aus Sekundärprodukten vorangegange­ner Prozesse wie:

• Aschen aus der Kohleverbrennung (Mineralbestand: Al-Si-Spinelle, Mullit) mit 25->30 % AI2O3

• Waschberge aus der Kohleaufbereitung (Mineralbestand: Ton, Tonschiefer) >25 % AI2O3

Außer Andalusit, der nur an wenigen Stellen der Erde in nennenswerten Mengen vorkommt, sind es im Vergleich zum Bauxit an Aluminium ärmere Rohstoffe, derer! Verarbeitung zwangsläufig mit höheren Aufwendungen verbunden ist.

Entsprechend der Unterschiedlichkeit im Mineralbestand und in der chemischen Zusammensetzung besteht kein einheitliches Alternativverfahren zu dem für Bauxit erfolgreich angewendeten Bayer-Prozess. Entwickelt und in verschiedenen Maßstäben erprobt wurden sowohl pyrometallurgisch als auch hydrometallurgisch geführte Technologien; neben alkalischen   Aufschlussmitteln   (Kalkstein,   Natronlauge u. a.) werden in vielfältigen Varianten Mineralsäuren (Schwefel-, Salz-, Salpeter-, Schwefligsäure) vorgeschlagen. Industriell genutzt werden bisher ausschließlich in der UdSSR Nephelin (4 Tonerdefabriken) sowie Alunit (3 Tonerdefabriken) hauptsächlich unter Anwendung kombinierter thermischer und hydrothermaler Prozesse in alkalischem Milieu.

 

Nutzung einheimischer nichtbauxitischer Rohstoffe in der DDR

In der DDR wird bis heute der Gesamtverbrauch an Aluminium durch Import an Primärmetall (UdSSR, SFR Jugoslawien), Eigenerzeugung von Hüttenaluminium sowie aus sekundären Rohstoffen gedeckt. Das für die eigene Metallerzeugung erforderliche Vorprodukt Tonerde muß großenteils importiert werden (BRD, Ungarische VR), die restliche Menge wird aus Importbauxiten (Ungarische VR, Guyana) im VEB Aluminiumwerk „Albert Zimmermann", Lauta, hergestellt. Abgesehen vom eigenen Schrottaufkommen erfolgt damit die Versorgung der Volkswirtschaft über Einfuhren an Metall, Tonerde und Bauxit. Im Zuge von Überlegungen und Beschlüssen zur verstärkten Nutzung einheimischer Rohstoffe wurden daher vor Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Gewinnung von Tonerde aus alternativen Aluminiumerzen aufgenommen. In Frage kommende Tonerdeträger in der DDR sind vor allem geeignete Tone oder Kaoline; für ihre Verarbeitung sind unter den Bedingungen in der DDR Verfahren im mineralsauren Milieu geeignet. Untersuchungen zur Entwicklung entsprechender Technologien werden vor allem im Forschungsinstitut für NE-Metalle (FNE) des VEB Mansfeld Kombinat „Wilhelm Pieck" unter Einbeziehung von Kooperationspartnern durchgeführt. Seit 1982 steht zur Erprobung und Weiterentwicklung bis zur industriellen Reife nach vorangehenden Untersuchungen im kleintechnischen Maßstab eine technische Versuchsanlage auf dem Gelände des VEB Aluminiumwerk „Albert Zimmermann" in Lauta/Niederlausitz zur Verfügung. Für den vorwiegend eingesetzten Rohstoff Ton aus dem Lagerstättengebiet Guttau/Niederlausitz wurden durch geologische Such- und Erkundungsarbeiten seitens des VEB Geologische Forschung und Erkundung, Freiberg, langfristig ausreichende Mengen und qualitativ geeignete Sorten nachgewiesen. Hauptsächliche Qualitätsmerkmale sind nachstehend genannt (getrocknet, in Masseprozent):

Chemische Analyse:                  27 -34      AI2O3

42 -48      SiO2

2,5- 4       Fe2O3

2,2- 2,7    TiO2

1,9- 2,3    Alkalien, Erdalkalien

12   -14    Glühverlust

Mineralbestand:                          60   -80    Kaolinit

10   -30     Illit, mixed layer

 5   -15      Quarz

Das von mehreren untersuchten Varianten am weitesten entwickelte und vorzugsweise in Frage kommende Verfahren unter Verwendung von Salzsäure als Aufschlussmittel verläuft in folgenden Prozessstufen:

- mechanisches Vorbehandeln des Rohtons (Zerkleinern, Homogenisieren, Formkörper­herstellen),

- thermisches Behandeln (Kalzinieren) des vorbereiteten Gutes zum Entfernen anhaftender Feuchte sowie gebundenen Kristallwassers,

- Laugen des Tonkalzinats mit etwa 20%iger Säure zum Lösen der Nutzkomponente (Schadstoffe   werden z.T. mitgelöst) und Abtrennen des Rückstandes von der Lösung,

- Reinigen der Aluminiumsalzlösung von mitgelösten Verunreinigungen über Flüssig-Flüssig-Extraktion,

- Gewinnen von festem Aluminiumchlorid (AICI3 . 6 H2O) durch Kristallisieren,

- thermisches Zersetzen des Chlorids und Kalzinieren des gewonnenen Oxids zu metallur­gischer Tonerde,

- Rückgewinnen von Aufschlusssäure aus den Spaltgasen des thermischen Zersetzens.

 

Unsere Farbgrafik stellt den Verfahrensablauf schematisch in einem vereinfachten Fließbild dar.

 

Durch den mehr als vierjährigen Betrieb in der Versuchsanlage konnten die technische Durchführbarkeit des Prozesses und die Eignung der teilweise neuentwickelten Apparate nachgewiesen werden. Die erzeugte Tonerde wurde hinsichtlich ihrer Eignung als Vorlaufstoff für die Metallgewinnung sowohl in einer speziell dafür errichteten Versuchszelle (10 000 A Stromstärke) als auch in Betriebszellen des Aluminiumswerkes Lauta (rd. 80 000 A Stromstärke) erprobt. Der Elektrolysebetrieb verlief störungsfrei, das gewonnene Aluminium wies eine der TGL entsprechende oder bessere Qualität auf. Außer der Herstellung qualitätsgerechter Tonerde für die Metallgewinnung oder für andere Einsatzgebiete ist das Ziel der Verfahrensentwicklung eine möglichst vollständige abproduktfreie Nutzung aller Rohstoffbestandteile.

In der oben dargestellten Technologievariante fällt neben Eisenchlorid aus der Lösungsreinigung, für das eine Aufarbeitung als hochwertiges Oxid oder der direkte Einsatz z. B. in der Wasserreinigung bzw. für die Farbenerzeugung vorgesehen ist, als mengenmäßig wesentlichstes Nebenprodukt der SiO2-reiche Laugungsrückstand an; er enthält im trockenen Zustand 70-80 Masseprozent SiO2. Von verschiedenen erfolgreich erprobten Einsatzmöglichkeiten sind zwei Anwendungsfälle in der Baumaterialienindustrie besonders geeignet. Einerseits haben industriemäßige Untersuchungen gezeigt, daß sich die Rückstände (5-10 mm Korngröße) sehr gut als Leichtzuschlag, beispielsweise bei der Fertigung von Hohlblocksteinen, verwenden lassen; sie können andere, teurere Produkte ersetzen und zu­dem in feuchtem Zustand eingesetzt werden. Zum anderen haben Untersuchungen im Zentralinstitut für Anorganische Chemie der Akademie der Wissenschaften der DDR sowie Erprobungen in der Zementindustrie ergeben, daß die getrockneten reaktiven Rückstände als Zementzumahlstoff eingesetzt werden können und Qualitätsverbesserungen der Betone im Hinblick auf Alkalitreiben bewirken. Die Arbeiten zur Weiterentwicklung und Optimierung des Verfahrens zur Gewinnung von Tonerde aus einheimischen Rohstoffen und zu seiner Erprobung werden fortgesetzt; im dargestellten Sinne wird Wert gelegt auf eine kom­plexe Rohstoffverwertung. In Kooperation mit anderen Betrieben und Einrichtungen, insbe­sondere des Apparate- und Anlagenbaus, werden die Voraussetzungen für eine Überleitung der Ergebnisse in den industriemäßigen Betrieb geschaffen.

 

Dr.-Ing. Gerhard Haake

Prof. Dr. Siegfried Ziegenbalg